Ein Spaziergang im Mugello

Der erste Eintrag eines Blogs sollte wie eine Erklärung sein und klar äußern was der Inhalt sein könnte, mit dem der Leser im Laufe der Zeit konfrontiert werden könnte. Die erste Post von Mugello&Tuscany wird ein wenig anders sein. Unserer Meinung nach haben wir keine bessere Möglichkeit gefunden als diese kleine Geschichte, die die Entstehung dieses Blogs am besten erklären kann. In Wirklichkeit ist die Geschichte nicht erfunden. Sie ist einfach die Erzählung von einer der vielen Wanderungen, die wir oft zufällig in unserem Mugello gemacht haben.
Wir haben viele Orte auf der ganzen Welt besucht. Wir waren in Neuseeland, Australien, Thailand, Laos, Katar, Marokko, Griechenland, Spanien, Frankreich, Schweiz, Österreich, Deutschland, Holland, Belgien, Polen, Tschechische Republik, und dann wieder, in England, Irland, den USA und Brasilien. Trotz der Fülle von schönen Orten, Städten, Wüsten und Berge, kristallklarem Wasser, Denkmäler und Kunstwerke die wir gesehen haben, unser eigenes Land erfreut und fasziniert uns immer mehr. Dies auch wenn wir nur das Haus verlassen, z.B. bei einem Spaziergang in den üblichen Orten, die wir seit mehr als zwanzig Jahren besuchen.
Wir hoffen, dass der Leser zumindest einige dieser Emotionen, die die Region Mugello und die Toskana in uns verursachen, erfühlen kann.

Es ist ein später August-nachmittag, die Sonne ist schon niedrig und wird schon in kurzer Zeit hinter dem massiven und gleichförmigen Profil der Berge von Calvana verschwinden. Mit meinem treuen Hund “Biri” und  der Kamera fahre ich einige Kilometer entlang dem Ufer des Sees. An einem Punkt biege ich nach rechts ab. Ich lasse das Auto am Straßenrand stehen. Unten am Ufer des Bilancino Sees erblickt man noch viele Menschen die klein wie Ameisen wirken. Die Sonne, die bereits niedrig ist, zeichnet goldene Reflexe auf das Wasser. Die Kamera erhascht alles. Ich bewege mich auf dem Weg in Richtung zum Wald. Nach wenigen Metern, auf der linken Seite, komme ich zur Kirche von San Giovanni. Der Zugang ist verboten. Wahrscheinlich wegen Renovierungsarbeiten, die vielleicht noch nicht einmal gestartet worden sind. Es ist aber auch so schön: Der Glockenturm, der seit tausend Jahre aufrecht zum Tal steht. Hundert Meter und schon halte ich wieder an um Fotos aus einer anderen Perspektive zu nehmen. Der Hund schaut mich ungeduldig an. Mit Sicherheit nimmt er mit seiner Nase die Fährten der unzähligen Wildtiere auf und er will ihnen folgen. Ok, wir gehen ein wenig schneller. Die Straße geht in den Wald. Die Hitze des Tages verschwindet, die Temperatur ist perfekt und lädt ein, die Schritte zu erhöhen. Das Auge hat sich an die dunklere Umgebung angepasst. Ich schaue ein paar Sekunden auf eine massive Eiche.
Dann stehe ich vor einer Reihe von knorrigen Olivenbäumen. Aufgrund der Größe stehen sie schon hier vor der Geburt meines Großvaters. Wir spazieren entlang einer Villa. Auf der Wiese davor sind ein Dutzend Menschen beschäftigt, das Abendessen vorzubereiten. Ich beobachte sie aus der Ferne und erahne die innere Ruhe und die Gelassenheit dieser Leute. Auf jeden Fall wird es für sie ein schöner und gemütlicher Abend sein. Nachdem ich an einem Landhaus und einen unbewohnten Heuschuppen vorbeigegangen bin, weitet sich der Ausblick. Etwas höher, hinter den großen Zypressen, steht die Spitze des Turms des Trebbio Schlosses. Die weiße Straße senkt sich zuerst und steigt dann wieder in unzähligen Haarnadelkurven. Aber man kann auch dem Wanderweg folgen, der die Distanz auf schätzungsweise etwas mehr als einen Kilometer verkürzt. Zahlreiche Plakate warnen vor Wild auf freier Wildbahn und vor frei laufenden Pferden. Etwas weiter treffen wir tatsächlich auf eine Gruppe von Pferden. Während wir näher kommen, steckt eines von ihnen den Kopf über den Zaun und beobachtetet uns neugierig. Ich reiße einen Grasbüschel aus und strecke ihn langsam in Richtung Pferd. Dieses nimmt das Gras sachte ins Maul und beginnt zu kauen.
Dann wird es ruhig und ich kann es streicheln. Der Hund, der plötzlich draufgängerisch geworden ist, springt mit dem Kopf bis zur Nase des Pferdes auf. Die beiden Tiere beschnuppern sich für etwa zehn Sekunden. Dann entscheidet der  kleinere Hund, dass es jetzt genug ist. Wir setzen unseren Spaziergang fort. Als wir auf dem Vorplatz unterhalb des Schlosses angekommen sind, stelle ich fest, dass viele Leute die gleiche Idee wie wir gehabt haben. Es hat viele geparkte Autos und die Menschen kommen von einem Spaziergang zurück. Ich schaue das Schloss an und erfasse sofort mit meinen Augen die Sonnenuhr an der Fassade, die um diese Zeit nicht mehr von der Sonne beschienen wird. Das Schloss ist sehr gut erhalten und ich gehe mit meinen Gedanken in die Zeit von ca. 1430 zurück.
Ich erahne, wie Cosimo de Medici von seiner geliebten Jagd auf das für damalige Verhältnisse sehr großzügige Schloss zurückkam. Ich schaue auf die Armbanduhr: Es ist Zeit nach Haus zu gehen. Der Spaziergang hätte noch länger dauern können, z.B. vorbei an schönen weiß restaurierten  Bauernhäusern die in der Ferne auftauchen und schöne Sujets für Verkleinerungen ergeben hätten. Mit der Kamera um den Hals, versuche ich zumindest eine der vielen kleinen Häschen, die in der Vegetation bei unserer Ankunft verschwinden, zu erhaschen oder gar einen Falken, der hoch oben gegen den Himmel kreist, zu verewigen. Als ich zurück zum Auto komme, ist die Landschaft von einer einzigen Nuance dominiert: Rote Wolken am Himmel, rote Berge, rotes Wasser des Sees und der orange leuchtende Damm. Die Kamera macht ein paar Fotos. Ich bin nicht ein guter Fotograf, aber ich hoffe, dass das Ergebnis einen kleinen Teil der Schönheit von diesen Momenten erleben lassen kann…

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